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An(ge)dacht

© Martin Vorländer / fundus.ekhn.de

Meine Augen haben deinen Heiland gesehen; das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern. 

(Lukas 2,30-31) Monatsspruch für Dezember 2023 

Liebe Gemeindeglieder, 

„Is eröm“, diese Vogelsberger Dialektformulierung begegnet mir hin und wieder; oft bei Menschen, die schon etwas älter sind, in ihr Leben zurückblicken, Erlebnisse von früher ins Bewusst- sein zurückholen, um dann – oft mit etwas wehmütigem, manch- mal auch resignativem Ton – festzustellen: Es ist vorbei, ‚eröm‘, Vergangenheit, die nicht wiederkommt. Schönes, Witziges aus einer anderen Zeit, als das Leben in den Dörfern noch anders war, gemächlicher und auch geselliger. Die Erinnerungen sind schön – im Rückblick wohl schöner, verklärter, als die Zeitumstände wirklich waren. Dennoch, sie haben Kraftpotential in sich, von dem Menschen zehren können. Und wo Junge offen dafür sind, können sie nur von solchen Erzählungen der Älteren profitieren. Gerade in diesen Tagen im Advent und an Weihnachten geht der Blick bei vielen Menschen in die Kindheit zurück. 

Der Monatsspruch aus dem Lukasevangelium führt uns zu ei- nem Mann, der auch zurück- blickt: auf sein langes Leben, aber dann auch auf etwas, das ihm in seinen alten Tagen geschenkt wird und noch einmal alles verändert. Der Spruch nimmt uns mit in eine Szene ganz am Ende der Weihnachtsgeschichte. Nach den Vorschriften der Tora, des alttestamentlichen Gesetzes, musste sich eine Frau, die geboren hatte, einer rituellen Reinigung durch ein Opfer am Heiligtum unterziehen. Ebenso musste das erste männliche Kind durch ein Opfer ausgelöst werden, da er als Erstgeborener eigentlich Gott gehört. So gehen die Eltern mit dem kleinen Jesus in den Jerusalemer Tempel – gewissermaßen der erste Einzug Jesu in Jerusalem, von dem der Evangelist Lukas berichtet. Am Heiligtum tritt ihnen ein älterer Herr mit Namen Simeon entgegen. Von ihm heißt es, er habe auf den Trost Israels gewartet, auf den Erlöser, und Gottes Geist habe ihm offenbart, er werde diesen Erlöser noch sehen. Nun hat er ihn in den Tempel geführt. Dort sieht er den kleinen, knapp sechs Wochen alten Jesus – und erkennt in ihm den „Christus des Herrn“. 

Beherzt nimmt Simeon den Säugling in seine Arme, mit den Worten: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen; das Heil, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zur Erleuchtung der Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“ Etwas übergriffig, würden wir wohl sagen, aber die Eltern Jesu lassen es zu, sind freilich verwundert über Worte und Handlung. Am Ende segnet Simeon die Familie. 

Simeon, einer, der auf den Trost Israels wartet. Als Wartender, Erwartender wird er vorgestellt, als ein im Advent lebender Mensch. Über die Jahre und Jahrzehnte ist er alt geworden. Sicher hat er sich immer wieder einmal gefragt: Kommt das wirklich noch? Erlebe ich dieses Heil, diesen Retter wirklich noch zu meinen Lebzeiten? Vielleicht hat er nach Zeichen gesucht, die ihm das bestätigen: im Geschehen um ihn herum, in seinem Land, oder auch an sich selbst. Irre geworden über seiner Erwartung ist er aber nicht. Resigniert hat er nicht. Er wurde gehalten von Gott. Und jetzt, nach so vielen Jahren? Auch wenn nichts dafür 

spricht, dass dieses kleine Kind der Heiland Gottes ist, dass in ihm die Erfüllung der göttlichen Verheißung da ist, er glaubt. Den jungen Eltern gegenüber verkörpert er die alte Welt, aber eine, die noch in Erwartung ist, die sich nicht damit abgefunden hat, im Finstern leben zu müssen. 

„Is eröm“, das hätte auch Simeon sagen können. Sein Leben war gelebt, schon rein rechnerisch – und doch hatte er Hoffnung, Erwartung. Gottes Verheißung hielt ihn fest, war ihm ein fester Punkt in seinem Leben. Von diesem Punkt aus konnte er nach vorne schauen, durch allen Wandel, alle Turbulenzen hindurch. So sah er mehr und tiefer, sah das Jesuskind kommen, sah schließlich in diesem auf Hilfe angewiesenen Säugling den Retter Gottes. Er wusste um die Begrenztheit seines Lebens, aber er wusste es in Gottes Hand liegend: Gott, der sich ihm in Jesus als der auf ihn Zukommende offenbart, der auch jenseits der Grenze dieses Lebens der auf ihn Zu- kommende ist. So konnte er selbst beruhigt nach vorne schau- en, auch in Richtung seines bald möglichen Endes seines irdischen Lebens. Er hatte den Heiland gesehen, ja umfasst. Meine Augen – dein Heil: Die Verbindung ist da zwischen Gott und seinem Heil und dem glauben- den Ich. 

Simeon steht dafür, dass auch, ja gerade im von der ‚Is-eröm- Stimmung‘ geprägten Leben nicht nur etwas passieren kann, viel mehr: dass auch da gespürt werden kann: Es gibt Heil, es gibt Versöhnung mit dem, was war, Einklang mit Menschen, zu denen das Verhältnis schwierig war. Es gibt die Erfahrung der Vergebung, des Aufgehoben- Seins in Gott. Immer wieder kann ich das bei hochbetagten Menschen wahrnehmen. Wie gut: in Frieden fahren, heißt: nicht in Resignation, sondern in Dank und zugleich in Hoffnung, hat dieser Mensch doch in sei- nem Leben erfahren, dass Hoffnung erfüllt wurde! Wir brauchen diese Simeons in unser aller ‚Is-eröm-Stimmung‘ in diesen Tagen mit ihren zunehmen- den Sorgen: Barbarischer Terror der Hamas, Krieg im heiligen Land, Krieg in der Ukraine, flüchtende Menschen, Migranten in hoher Zahl, die nach Europa und zu uns streben, damit zusammenhängende Konflikte bei uns, Klimawandel. Sie sind nötig, die ‚Alten‘, die an der Hoffnung festhalten und die Jungen daran erinnern, die mitten im Dunkel, in diesen kurzen dunklen Tagen doch die Ankunft des Lichts der Welt vor Augen haben. 

Das wünscht Ihnen mit einem gesegneten Christfest und schönen Advents- und Weihnachtstagen 

Ihr Pfr. Detlef Metz 

Theologische Arbeit

© Jeanette Fritz / fundus.ekhn.de

In einer Zeit, in der vielfach der christliche Glaube nicht mehr selbstverständlich ist, manches abbricht, auch immer weniger Wissen über die christliche Tradition präsent ist, es zugleich aber viel Fragen zu Glaube und Theologie gibt, ist die Beschäftigung mit geistlichen und theologischen Fragen unerlässlich.

Der Glaube soll ja weitergetragen werden, aber rational verantwortet und transparent auch für Menschen, die Zweifel und Schwierigkeiten mit Glaubensinhalten haben. Jeweils in der Passionszeit gibt es daher in der Gemeinde besondere Abende mit Themen zu Glauben und Theologie. Die letzten Themen waren: „Einführung in die Bibel“; „Wir lesen die Passionsgeschichte“; in Vorbereitung sind: „Was ich glaube“ (Abende zum Glaubensbekenntnis); „Wie wir wurden, was wir sind“ (Einführung in die Kirchengschichte). 

Im Jahr 2021 gab es ferner eine Ikonenausstellung mit Rahmenprogramm zum Thema „Ikonen – Fenster zur Ewigkeit. Zur Frömmigkeit und Theologie von Ikonen und Bildern in der Kirche“

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